News aus Nordwest – Covid19 sehr präsent

Da sind die Gerüchte, der Virus sei eine Erfindung des Westens, Vakzine enthielten Geheimstoffe, um die Menschen Afrikas zu unterdrücken. Gleichwohl sind Impfmöglichkeiten in Kamerun bisher nur hohen Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft zugänglich, auch kommen verlässliche Aufklärung und Information in der Regel von NGOs und Kirchen, nicht aber von staatlichen Institutionen, die eigentlich dafür zuständig sind. Bei alledem, so berichtet Abteilungsleiter Winfried Montz von der Partnerschaft der Diözöse Limburg, sei die Pandemie in der Nordwest-Region sehr präsent. Es gebe zahlreiche Tote. Pandemische Gebiete hissten eine rote Fahne. Doch Vieles bleibt im Ungefähren, eine Untersuchung von Todesursachen gibt es in der Regel nicht.

Kirche zwischen allen Stühlen

Ein Bischof, so heißt es, feierte unlängst sein Priesterjubiläum. Er wollte den Anlass klein halten, Klerus und die Gläubigen wollten aber größer feiern als Zeichen der Anerkennung seines Einsatzes für die Menschen. Die offizielle Einladung beantwortete auch der Gouverneur der Region mit seiner Teilnahme. Im Gegenzug gab es Attacken von bewaffneten Unabhängigkeitsgruppen (Ambas), weil die Kirche auf der Seite der Regierung stehe. Von Tobin und Meluf werden heftige Zerstörungen berichtet, 85 Familienhäuser seien abgebrannt.

(c) privat. Laura Anyola Tufon am 01.07.2021 in der Videokonferenz Kamerun-Beirat BMDZ.

Lobby-Arbeit zur Anglophonen Krise wichtiger denn je

LAURA ANYOLA TUFON, Nordwest Regionalkoordinatorin Justice and Peace Service in Kamerun, sprach gestern beim Kamerun-Beirat der Basler Mission Deutschland/EMS. Sie zeichnete vier Schwerpunkte ihrer Arbeit, die sich seit Beginn des Bürgerkriegs 2016 erheblich ausgeweitet hat:

1. Persönliche Dokumente. Mehr als 1.500 Personen hat ihre Organisation bei der Wiederbeschaffung ihrer Ausweispapiere geholfen. Ohne Pass oder Geburtsdokumente außer Haus unterwegs zu sein, wurde von der Regierung nach Beginn der Krise kriminalisiert. Deshalb ist es existentiell, dass Mitbürgerinnen ihre Rechte kennen, Missbrauch benannt wird und dass wir Menschen unterstützen, ihre persönlichen Dokumente wieder zu erlangen. Besonders wenn ihre Häuser verbrannt oder zerstört wurden.

2. Schutz für Frauen. Laura Anyola Tufon und ihr Team begleiten traumatisierte Frauen, fünf von ihnen erreichten mit unserer Hilfe bisher einen gerichtlichen Prozess, aber nur eine erlebte bislang, dass ihr Vergewaltiger verurteilt wurde. In zwei Divisions arbeiten wir für Human Rights mit Focus auf Benachteiligung oder Missbrauch von Frauen.

3. Die Dokumentation von Gewalt und Grenzüberschreitungen sei laut Laura Anyola Tufon eine ganz wesentliche Voraussetzung zu nachhaltigen Gesprächen für Frieden unter gerechten Bedingungen. Menschen haben nach ihren Angaben komplett das Vertrauen verloren in Offizielle und Regierungsstellen. Es sei so einfach jetzt für Entführer und Gewalttäter, ihr zerstörerisches Werk zu tun, weil die Regierung und Offiziellen nicht präsent sei oder sich taub und blind und stumm stelle.

4. Jugend und Interreligiöser Dialog. Es ist Laura Anyola Tufon wichtig, dass Konflikte im Gespräch gelöst werden und Verständnis für einander wächst. Deshalb engagiert sie und ihre Organisation sich für den interreligiösen Dialog und ermöglicht insbesondere Jugendlichen die Teilnahme an Workshops und Schulungen. Kamerun sei ein laizistischer Staat, dennoch spiele Religion eine sehr prägende Rolle. Wenn es der nächsten Generation gelingt, sich über Religionsgrenzen hinweg auf gemeinsame Werte und Visionen zu verständigen, sei dies ein wesentlicher Baustein für die Durchsetzung von Menschenrechten ein respektvolles Miteinander in der Gesellschaft.

Was können wir in Deutschland tun?

W. Montz berichtet: „Das parlamentarische Berlin ist im Abschwung seiner Legislatur, alle richten sich zum Wahlkampf. Das Lobby-Network von Misereor, Brot für die Welt, EMS/Basler Mission und Bistum Limburg tauscht sich weiter bezüglich vernetzten Handelns aus, zuletzt auch mit Franciscans International bei der UN. Ziel bleibt weiterhin, dem anglophonen Konflikt mehr Aufmerksamkeit zu geben und einen Beitrag zu einem Lösungsansatz zu entwickeln. Mit einzelnen Partei-AGs wird daran gearbeitet, wie denn Kamerun auf die Liste der Themen für einen Koalitionsvertrag im Oktober kommen könnte. Kontakte zum Auswärtigen Amt bestehen, aber neue Schritte der Intervention sind noch nicht erkennbar. Bei einer Begegnung aus anderem Anlass hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kanzlerin Merkel auch auf dieses ungelöste Problem hingewiesen. Der Problempunkt Frankreich kommt zunehmend auf die politische Agenda, aber ohne dass es diesbezügliches verändertes Handeln der Bundesregierung gibt.“

Für Aktionsgruppen, Partnerschaftsausschüsse, Weltladen-Initiativen und andere Akteure der gesellschaftlichen Basis bedeutet dies, dass die kommenden Wochen und Monate vor der Bundestagswahl ein wichtiges Zeitfenster für das politische Engagement für Kamerun sind. Es gilt, die jeweiligen Wahlkreiskandidat:innen für diesen von der Welt weitgehend unbeachteten Konflikt zu sensibilisieren und den konkreten Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Wahrung der Menschenrechte für die Zivilbevölkerung des anglophonen Kameruns einzufordern.

Frau Laura Anyola Tufon hat sich in der Vergangenheit in außergewöhnlicher Weise im Kampf gegen Kinderhandel und Zwangsarbeit in Kamerun engagiert. Heute arbeitet sie mit „Justice and Peace“ an gemeindebasierten Schutzmechanismen, um Opfer von Missbrauch und Menschenhandel zu identifizieren und zu verhindern, dass sie erneut Opfer werden. Frau Anyola und die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden haben Hunderten von Opfern geholfen mit Vermittlung von Unterkunft, Rechtsbeistand, Schulgebühren, Vermittlung in Pflegefamilien sowie Hilfe bei der Wiederbeschaffung des Geldes, das die Menschenhändler versprachen, um ihre Opfer zu locken. Viele der „Rückkehrer“ haben die formale Bildung wieder aufgenommen und werden als Peer Educators eingesetzt. In Zeiten der Krise sind solche Netzwerke von Kirchen und NGOs besonders wirkungsvoll, um nachhaltig für die Wahrung von Menschenrechten und Menschenwürde vor Ort einzutreten.