Kamerun: weltweit die am meisten vernachlässigte humanitäre Katastrophe

(c) The Guardian Post. Die Titelseite kamerunischer Zeitungen berichteten am 21.06.2021 übereinstimmend, dass einer der entführten Staatsdiener von Rebellen ermordet wurde.

Kamerun
Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) hat in einem kürzlich erschienenen Bericht seinen Standpunkt beibehalten, dass die Krise in Kameruns unruhigen englischsprachigen Regionen, die bereits über 5.000 Todesopfer gefordert, über eine Million intern und über 70.000 Menschen extern vertrieben hat auch durch Zerstörung von über 300 Dörfern, immer noch die weltweit am meisten vernachlässigte humanitäre Katastrophe ist.
Die kamerunische Regierung hat sich allen Aufrufen entzogen, zur Bewältigung der Krise von einem nicht effektiven militärischen Ansatz zu einem umfassenden Dialog mit denjenigen überzugehen, die in den unruhigen Teilen des Landes das Sagen haben. Dies, obwohl der Konflikt bereits das fünfte Jahr andauert.
Seit über zwei Monaten haben die Regierungstruppen stark gelitten, da keine Woche vergeht, in der nicht einige von ihnen durch den Einsatz von IEDs (Sprengsätze) oder Überraschungsangriffe von separatistischen Kämpfern oder Ambazonia Restoration Forces (ARFs), wie sie genannt werden, getötet werden.
Am Montag, den 14. Juni 2021 wurde die Ortschaft Muea in den Außenbezirken von Buea (dem Verwaltungssitz der Südwest-Region) von den ARFs schwer angegriffen. 5 öffentliche Verkehrsmittel wurden in Brand gesetzt, um die Montags-Streik-Regel durchzusetzen (Ghosttown), die besagt, dass an jedem zweiten Montag jeder im Haus bleiben muss, eine Regel, die seit 3 Jahren in Kraft ist und das Leben der Zivilbevölkerung erheblich einschränkt. Ein örtlicher Polizeiposten bzw. eine Polizeistation wurde in einer Schießerei angegriffen, bei der viele Polizeibeamte verletzt und die Polizei-Büros von den ARFs zerstört und geplündert wurden. Es bedurfte einer gemeinsamen Anstrengung von Spezialkräften des Militärs und der Polizei, um die ARFs zurückzudrängen, und den ganzen Tag über herrschte in diesem Teil der Stadt eine sehr angespannte Atmosphäre, da die Bevölkerung weitere Angriffe befürchtete.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich am Dienstag, den 15. Juni 2021 in der Ndian Division in der gleichen südwestlichen Region, als sechs Divisionsdelegierte verschiedener Ministerien von den ARFs entführt wurden.
Die Entführten sind die Divisionsdelegierten für Landbesitz, Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Wasser und Energie, kleine und mittlere Unternehmen, Wirtschaftsplanung und Regionalentwicklung und der Leiter des Divisionsdienstes für Vermessung. Laut unserer Quelle vor Ort, die zum eigenen Schutz anonym bleibt, befanden sich diese Staatsbeamten auf einer Landabgrenzungsmission im Dorf Ekondotiti, als sie in den Morgenstunden des Dienstag, den 15. Juni, von den ARFs entführt und in den nahe gelegenen Regenwald gebracht wurden.
Die Menschen fragen sich, wie es zu dieser Entführung kommen konnte, da Missionen dieser Art immer unter starkem militärischem Schutz stehen. Es bleibt die Frage, ob die Regierungstruppen von den ARFs überwältigt wurden oder diese Staatsbeamten nicht vom Militär bewacht wurden.
Nach der Entführung zirkulierten inoffizielle Berichte in den sozialen Medien, wonach die Regierungsvertreter in zwei verschiedenen Lagern der ARF festgehalten wurden, wobei ein Lager 28 Millionen Franc CFA als Lösegeld und das andere Lager 32 Millionen Franc CFA für ihre Freilassung verlangte. Am Mittwoch tauchte jedoch eine Audiobotschaft auf, die angeblich von einem der Generäle der ARF aufgenommen wurde und die bestätigt, dass sich die sechs Staatsbeamten tatsächlich in ihrem Gewahrsam befinden, sie aber kein Lösegeld für sie fordern, sondern sie vielmehr festhalten, um zu zeigen, wie machtlos die Regierungstruppen bei der Rettung ihrer eigenen Leute sind.
Die Unfähigkeit der Regierungstruppen, eine Rettungsaktion zu starten, spricht Bände. Es ist höchste Zeit, dass die kamerunische Regierung von der militärischen Methode zur Verhandlung und zum Dialog übergeht. Stattdessen wurden in Yaounde und Douala schwere gepanzerte Fahrzeuge gesichtet, so dass es den Anschein hat, als sei die Regierung immer noch überzeugt, mit einer Eskalation an Gewalt das Problem zu lösen. Es ist noch nicht lange her, dass der Direktor des Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Rehabilitationszentrums (DDR) in Bamenda ebenfalls entführt wurde und die kamerunische Regierung nichts unternahm, um ihn zu retten, und seine Familie mit den Verhandlungen über seine Freilassung allein ließ. Alles deutet darauf hin, dass die Regierung die Sicherstellung der Freilassung der 6 Staatsbediensteten in den Händen ihrer einzelnen Familien belässt.