Bei der sogenannten Anglophonen Krise handelt sich nicht mehr um einen Kampf für den einfachen Mann, sondern um ein wirtschaftliches Unternehmen. von R. Maxwell Bone
Fünf Jahre nach dem tödlichen Separatistenkonflikt in den englischsprachigen Regionen Kameruns scheinen alle Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung weiter in der Ferne zu liegen als je zuvor. Aktivisten der Zivilgesellschaft berichten, dass sowohl die Regierung als auch die abtrünnigen Rebellen hartnäckig und rücksichtslos ihre Ziele verfolgen.
Der Konflikt ist durch extreme Gewaltausbrüche gekennzeichnet, die immer wieder Zivilisten zum Ziel haben. Der letzte aufsehenerregende Vorfall ereignete sich im vergangenen Monat, als Regierungssoldaten im Dorf Missong in der anglophonen Nordwestregion neun Menschen töteten. Menschenrechtsgruppen werfen sowohl den Sicherheitskräften als auch den Sezessionskämpfern schwere Misshandlungen vor, darunter außergerichtliche Tötungen, Vergewaltigungen, Entführungen und Folter.
Die Ursache des Konflikts liegt in der historischen Marginalisierung der beiden englischsprachigen Regionen durch die Zentralregierung. In den beiden Bundesstaaten (Regionen) Nordwest und Südwest leben etwa 20 Prozent der Bevölkerung Kameruns.
Die Dynamik der Gewalt hat sich jedoch mit dem Wachstum einer lukrativen „Kriegswirtschaft“ verändert, die Entführungen und eine breitere Erpressung der Zivilbevölkerung beinhaltet. Die politische und wirtschaftliche Ausbeute des Krieges hat den Anreiz für eine Verhandlungslösung verringert.
„Es handelt sich nicht mehr um einen Kampf für den einfachen Mann, sondern um ein wirtschaftliches Unternehmen“, sagte Alhaji Mohammed Aboubakar, der einflussreiche Imam der Zentralmoschee in Buea im Südwesten des Landes, Anfang des Jahres in einem Telefongespräch mit The New Humanitarian.
Das sind keine guten Nachrichten für die mehr als 640.000 Menschen, die in den fünf Jahren des Krieges vertrieben wurden. Der Konflikt hat das Leben von mehr als zwei Millionen Menschen auf den Kopf gestellt, zu sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt auf beiden Seiten geführt, Schulen und Bildungsarbeit zum Erliegen gebracht und die beiden betroffenen Regionen verarmen lassen.
Aufgeschobener Frieden
Alle bekannten Friedensinitiativen, an denen die Vereinten Nationen, die katholische Kirche, der Ökumenische Rat der Kirchen sowie regionale und internationale Regierungen bisher beteiligt waren, sind entweder ins Stocken geraten oder gescheitert. Dazu gehörte auch der „Schweizer Prozess“, ein Versuch des in Genf ansässigen NRO-Zentrums für humanitären Dialog, hinter den Kulissen eine Reihe von „Vorgesprächen“ zum Kapazitätsaufbau mit Separatistenführern zu organisieren. Er scheiterte 2019, nachdem die kamerunische Regierung den Ansatz abgelehnt hatte.
Geheime bilaterale Verhandlungen, die in erster Linie vom Büro des Premierministers Joseph Ngute und einer Gruppe von inhaftierten Separatistenführern, den „Nera 10“, geführt wurden, scheiterten ebenfalls nach zwei Sondierungsrunden – das Ergebnis von Machtkämpfen unter den Sezessionisten und eines wahrgenommenen Mangels an Willen innerhalb der Regierung, die notwendigen politischen Zugeständnisse zu machen.
Die größtenteils in der Diaspora ansässige Separatistenführung, die anfangs eine Schlüsselrolle bei der Beschaffung von Geldern und Waffen spielte, hat an Einfluss verloren, da sich die Kämpfer zunehmend einheimischen Einnahmequellen zuwenden. Auch ihr politischer Einfluss ist durch ständige interne Fehden geschwächt worden.
„Wenn kleinliche Eigeninteressen den Verstand der so genannten Anführer vernebeln, sind sie für die leidenden Massen, die buchstäblich einen Ozean entfernt sind, nicht mehr relevant“, sagte Sarah Derval von der Pro-Friedenskoalition weiblicher Führungskräfte der Zivilgesellschaft, der Southwest-Northwest Women’s Task Force.
Die fehlende Kontrolle über die Kämpfer hat zu einem Gefühl der Gesetzlosigkeit geführt, das die Attraktivität der Unabhängigkeitsidee untergraben hat. In einigen Fällen haben Kommunen, die des Krieges und der oft rücksichtslosen Vorgehensweise der bewaffneten Männer im Busch überdrüssig sind, gefordert, dass die abtrünnigen Kämpfer ihre Dörfer verlassen, oder sie haben die Lager der Separatisten angegriffen. Dies bedeutet nicht unbedingt ein Vertrauensvotum für die Regierung, sondern wohl eher ein Zeichen der Frustration über die durch den Konflikt verursachten Unruhen.
Dennoch werden die Kämpfer als lokale Kämpfer wahrgenommen, die ihr Leben für eine legitime Sache riskieren. „Wir leben inmitten der Menschen, für die wir kämpfen, und wir werden nie den Kontakt zu ihrer Situation verlieren“, sagte der Sprecher der Ambazonia Military Forces, der sich „The Liberator“ nennt, gegenüber The New Humanitarian.
Aufstieg der „Konflikt-Unternehmer“
Entführungen sind eine der Hauptmethoden der separatistischen Kämpfer, um die Kontrolle zu erlangen. Sie werden als „Verhaftungen“ bezeichnet, wobei die Personen gegen Zahlung einer „Kaution“ – also eines Lösegelds – freigelassen werden.
Einst konzentrierten sich die Entführungen vor allem auf Regierungsbeamte und Personen, die als Feinde der Sezessionsbewegung galten. Heute sind sie so weit verbreitet, dass es unmöglich geworden ist, festzustellen, wer für eine bestimmte Entführung verantwortlich ist. Zu viele verschiedene und teilweise rein kriminelle Gruppen fordern inzwischen Geld.
„Zu Beginn der Krise waren es eindeutig die nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, die sich an dieser Praxis beteiligten“, sagte Akem Kelvin Nkwain, ein Anwalt der in Buea ansässigen NRO Centre for Human Rights and Democracy in Africa. „Das ist zwar immer noch der Fall, aber jetzt gibt es viele Banden, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben und ohne politischen Grund hinter den Menschen her sind – es geht nur um Geld.“
Eine ähnliche, seit langem bestehende Praxis ist die Zahlung von Bestechungsgeldern an Regierungsbeamte für die Freilassung von Personen, die von den Sicherheitskräften festgenommen wurden – manchmal unter den fadenscheinigsten Vorwänden. Dieses Geschäft hat mit der Krise zugenommen, da die Nichtzahlung von Bestechungsgeldern dazu führen kann, dass man irgendwann wegen Terrorismus angeklagt wird. Als Terrorismus gilt in den „lost states“ alles, was einem Regierungsbeamten zuwider läuft, unabhängig von Recht und Gesetz.
Separatistische Gruppen besteuern auch profitable Bereiche der Wirtschaft, darunter die Kakaoindustrie. Kamerun ist der fünftgrößte Produzent der Welt, wobei fast die Hälfte des Kakaos aus der südwestlichen Region stammt. Zu Beginn des Konflikts litt die Produktion, doch im Laufe der Zeit haben die bewaffneten Gruppen ein Gebührensystem eingeführt, das den Transport der Ernte über die Grenze nach Nigeria oder zum wichtigsten internationalen Hafen in Douala ermöglicht.
„Wir erlauben ihnen, ihre Geschäfte zu machen, aber sie müssen den Kampf unterstützen“, erklärte ein Separatistenkämpfer namens General A.M. Michael, der in der südwestlichen Region lebt, gegenüber The New Humanitarian.
Eine triumphierende Regierung
Obwohl der Krieg einige der besten Einheiten des Militärs absorbiert hat, glaubt die Regierung noch immer, der Unsicherheit Herr werden zu können. In diesem Monat feierte sie den Tod eines gefürchteten Kommandeurs, Oliver Lekeaka – besser bekannt als „Feldmarschall“ –, dessen Leiche öffentlich zur Schau gestellt wurde. Ein wichtiger Sieg war auch die erfolgreiche Ausrichtung des Afrika Cups im Januar 2022. Trotz lautstarker Ankündigung der Separatisten, die Veranstaltung zu stören, konnten die Spiele im Nordwesten und Südwesten des Landes ohne größere Einschränkungen stattfinden.
Die Regierung sieht die Lage in den städtischen Gebieten als relativ stabil an, da die Separatisten nicht in der Lage sind, größere Aktionen zu koordinieren. Interne Gewaltausbrüche zwischen rivalisierenden Kommandeuren belasten die Bewegung weiterhin und schränken ihre Wirksamkeit ein.
Dringendere Sorgen bereitet den Politikern die Frage der Nachfolge des alternden Präsidenten Paul Biya, so die Analysten. Politische Zugeständnisse im Rahmen eines Friedensabkommens würden Veränderungen in der politischen Ökonomie bedeuten, auf die sich Biyas Herrschaft stützt. „Biya und seine Stammesangehörigen haben das Land blindlings ausgeraubt und weigern sich, irgendein Staatsinstrument abzugeben, nur um weitermachen zu können wie bisher“, sagte Hon. Joseph Wirba, ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter, der aus dem Land floh, nachdem er das Vorgehen der Regierung in den anglophonen Regionen verurteilt hatte. „Sie werden sich nicht ändern, wenn sie nicht dazu gezwungen werden“, sagte er gegenüber The New Humanitarian.
Wie geht es also weiter?
Es ist allgemein anerkannt, dass es irgendwann zu einer Verhandlungslösung kommen muss. „Mit jedem Tag, an dem dieser sinnlose Krieg weitergeht, wird der Boden dieses Landes mit dem Blut eines weiteren gestohlenen Lebens befleckt“, sagte Esther Omam, eine führende Friedensaktivistin. Die Dringlichkeit von Gesprächen wird sogar von einfachen Kämpfern der Separatisten geteilt. „Je länger sich der Krieg hinzieht, desto größer ist die Gefahr, dass viele Menschen ihr Leben verlieren, selbst wenn wir am Ende des Tages das gewünschte Ergebnis erzielen“, erklärte The Liberator.
Doch Friedensarbeit ist harte Arbeit, meint Andrew Nkea, Erzbischof von Mamfe in der Südwestregion. Er hat sich mehrfach um Gespräche in seiner vom Konflikt betroffenen Diözöse bemüht und ist sich darüber im Klaren, dass die Beendigung eines Krieges, an dem so viele Interessen beteiligt sind, ein harter Kampf sein wird.
„Es gibt keine schnelle Lösung für einen Konflikt wie diesen“, sagte er gegenüber The New Humanitarian. „Das wird ein langer Prozess sein.“
Der Autor dieses Artikels, R. Maxwell Bone, ist Forscher und Schriftsteller. Seine Berichte und Analysen wurden in der Zeitschrift New Humanitarian, African Arguments und anderen Publikationen veröffentlicht. Er hält einen MPhil in Afrikastudien der Universität Cambridge, UK.
Anmerkung des Herausgebers Obi Anyadike: Dies ist der dritte Teil einer Beitragsreihe, die das Friedenspotenzial des fünfjährigen Konflikts in Kamerun untersucht. Er stützt sich auf fünf Jahre Interviews und Forschung in Kamerun und mit verschiedenen Akteuren in den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. Der erste Artikel befasste sich mit den Herausforderungen für formelle Friedensgespräche, der zweite mit Initiativen zur Friedenskonsolidierung an der Basis.