„Wir sind hier um zu reden, zu schlichten und zu verhandeln. Gemeinsam bilden wir eine Allianz, die stärker, lauter und größer ist als die Zahl derer, die vom Krieg profitieren!“
Nach einem erst jetzt publizierten Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin sind Ende Juli zum ersten Mal in der Geschichte Kameruns mehr als 1.500 Frauen aus allen Regionen des Landes zusammengekommen, um die Konfliktparteien gemeinsam zu friedlichen Lösungen aufzurufen. Soldatinnen, Kriegsopfer, Friedensaktivistinnen, Polizistinnen, Hausangestellte, Studentinnen, Professorinnen, Marktfrauen und Anwältinnen teilten vom 29.-31. Juli 2021 in der Hauptstadt Jaunde drei Tage lang ihre Erfahrungen und diskutierten Lösungsansätze aus Sicht der Frauen. Am Ende verabschiedeten sie gemeinsam einen „Appel der Frauen für Frieden“, der in Anwesenheit vieler Medienvertreter_innen der kamerunischen Regierung übergeben wurde. Die Frauen fordern unter anderem einen sofortigen Waffenstillstand, eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Regierung und Separatisten, einen Platz für Frauen am Verhandlungstisch, die Stärkung von Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungs-Zentren (DDR) sowie die Schaffung von Zentren für psychosoziale Begleitung für Kriegsopfer in den Konfliktregionen.
„Wir haben nicht entschieden zu den Waffen zu greifen und müssen nun unsere Kinder beerdigen! Gleichzeitig leisten wir Aufbauarbeit in den Gemeinden, kümmern uns um Binnenflüchtlinge und traumatisierte Opfer. Doch einen Platz am Verhandlungstisch haben wir nicht.“
In Kamerun ist die Sicherheitslage seit einigen Jahren höchst problematisch: Im Nordwesten und Südwesten kämpfen seit 2017 verschiedene separatistische Gruppierungen gegen die Regierungsarmee um ihre Unabhängigkeit, im hohen Norden des Landes kommt es seit 2014 zu Attacken durch Boko Haram, im Osten begehen Seleka-Rebellen aus der benachbarten Zentralafrikanischen Republik Schutzgelderpressungen, Entführungen und Morde an der Zivilgesellschaft. Die drei bewaffneten Konflikte sind für knapp zwei Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene verantwortlich. Frauen und Kinder sind zum einen besonders stark von den Konsequenzen der bewaffneten Konflikte und Entführungen betroffen; zum anderen sind es größtenteils Frauen, die vor Ort in den betroffenen Gemeinden als Friedensaktivistinnen traumatisierten Opfern helfen, Flüchtlinge und Binnenvertriebene aufnehmen und informelle Mediationsarbeit zwischen bewaffneten Gruppen und Militär leisten. Dennoch sind sie von offiziellen Friedensverhandlungen weitestgehend ausgeschlossen. Beim „Grand National Dialogue“, den die Regierung 2019 organisierte, waren nur 18 Prozent der Teilnehmenden Frauen, bei den (in)offiziellen Verhandlungen zwischen Regierung und Separatisten 2020 bestanden die Delegationen auf beiden Seiten ausschließlich aus Männern.
„Hört auf, für uns zu sprechen – Lasst uns für uns selbst sprechen!“
Kamerun hat zwar die VN-Resolution 1325 unterzeichnet, welche dazu aufruft, die Rechte von Frauen in bewaffneten Konflikten zu schützen und Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau mit einzubeziehen, in der Realität spielt dieses Bekenntnis jedoch kaum eine Rolle. Diese Lücke soll durch die erste nationale Frauenfriedenskonferenz geschlossen werden. Ausschlaggebend für deren Gelingen war eine demokratische und inklusive Herangehensweise: Aufbauend auf einer Plattform von 38 Frauenorganisationen und -netzwerken, die über ihre Arbeit in den verschiedenen Regionen bis in die Graswurzelebene hineinwirken, wählten die Frauen ein Steuerungsgremium mit Vertreterinnen aus den verschiedenen Konfliktregionen und bildeten verschiedene Arbeitsgruppen.
„Nichts wird uns bremsen oder zum Schweigen bringen – weder schwierige Erinnerungen oder schmerzhafte Erlebnisse, noch die Ignoranz derer, die Frauen ohne Respekt behandeln. Wir werden unseren Platz am Verhandlungstisch einnehmen.“
Und die Arbeit geht weiter: Aufbauend auf dem „Appel der Frauen für Frieden“ wollen die verschiedenen Frauenorganisationen detaillierte Empfehlungen entwickeln und weiterhin auf einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen drängen. Inspiriert werden sie dabei auch von Erfahrungen verschiedener Frauenfriedensbewegungen in anderen Ländern, zum Beispiel Liberia, Kolumbien und den Philippinen. Ihr gemeinsamer Wunsch: Frieden für ihr Land und die Gewissheit, dass ihre Kinder und Enkelkinder in Sicherheit leben können. Sie wollen weiter machen, bis Frauen und Kinder nicht mehr unter Gewalt leiden müssen, bis alle Kinder wieder zur Schule gehen können und Mütter nicht mehr ihre Kinder beerdigen müssen.
„Die FES als langjähriger und vertrauensvoller Partner kann eine Plattform bieten, um verschiedene Akteure zusammenzubringen. Nicht nur Frauenorganisationen aus verschiedenen Konfliktregionen, sondern auch Regierungsvertreter_innen und Vertreter_innen nicht-staatlicher bewaffneter Gruppierungen.“
Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist in Kamerun seit 1986 mit einem eigenen Büro vertreten und ist regional sehr breit aufgestellt: es finden Aktivitäten in allen zehn Regionen des Landes und seit dem Ausbruch der gewaltsamen Konflikte verstärkt auch in den Konfliktregionen statt. Auch die Tatsache, dass die Stiftung mit den verschiedensten Akteuren wie Oppositionsparteien aber auch Regierungsvertreter_innen, der Zivilgesellschaft, Medien, Studierenden und Forschenden, Gewerkschaften und Hausangestellten zusammenarbeitet, verschafft ihr ein hohes Ansehen und Glaubwürdigkeit. In dem Versuch, einen Beitrag zum Friedensprozess zu leisten, sind wir überzeugt, dass Frauen eine Schlüsselrolle spielen – als Mediatorinnen, Verhandlerinnen und Unterstützerinnen auf allen Ebenen.
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