Ärzte ohne Grenzen hat die Regierung von Kamerun dringend aufgefordert, die Arbeit der Hilfsorganisation im Nordwesten des Landes wieder zu ermöglichen. Tausende Menschen seien dort seit sechs Monaten ohne medizinische Versorgung. Die Behörden hatten die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in der Region im Dezember 2020 suspendiert und als Begründung angegeben, die Organisation habe eine zu große Nähe zu bewaffneten Gruppen.
Seit Ende 2020 sind Kranke, Verletzte und werdende Mütter im Nordosten Kameruns auf sich allein gestellt, Menschen sterben an behandelbaren Krankheiten, so Ärzte ohne Grenzen. „Wir appellieren an die Regierung, die Bedürfnisse der Bevölkerung an die erste Stelle zu setzen und eine grundlegende medizinische Versorgung im Nordwesten Kameruns sofort wieder zu ermöglichen“, so Emmanuel Lampaert, Programmverantwortlicher für Zentralafrika.
In den letzten Tagen erreichen uns wieder Berichte von Militärs, welche die Krankenhäuser der Umgebung aufsuchen und unter Androhung von Gewalt die Herausgabe von Patienten mit Schussverletzungen fordern. Wenn das Pflegepersonal unter Verweis auf den Schutz der Anbefohlenen die Zusammenarbeit verweigert, setzt es Schläge und Gewalt. Die staatlichen Truppen und Militärs verbreiten Angst und Schrecken statt die Zivilbevölkerung vor Gewalt zu schützen. Gleichzeitig haben Angehörige von Separatistengruppen Menschen daran gehindert, in Gesundheitsstationen oder ins Shisong Hospital zu gelangen. Weil sich keine der beiden gewaltbereiten Seiten an Menschenrechtsstandards hält, sitzt die Zivilbevölkerung zwischen allen Stühlen und wird fortwährend Opfer von Gewalt.
Seit Ausbruch der Gewalt im Nordwesten Kameruns vor mehr als vier Jahren sind dort laut Angaben der Vereinten Nationen (UN) mehr als 700.000 Menschen auf der Flucht, rund 60.000 von ihnen flohen ins benachbarte Nigeria. Mehr als 1,4 Millionen Menschen in der Region sind laut (UN) auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der bewaffnete Konflikt im Anglophonen Kamerun hat inzwischen mehr als 5.000 Todesopfer gefordert.